BÖLW-Statement zum informellen Agrarrat

BÖLW zum informellen EU-Agrarrat
“Zögern trifft Bauern hart: Jetzt Umbau mit neuer GAP anpacken“

Berlin, 08.06.2020. Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), kommentiert das informelle Treffen der Agrarministerinnen und Agrarminister der EU, bei dem heute Green Deal, Farm to Fork und die Biodiversitäts-Strategie in Verbindung zur EU-Agrarpolitik (GAP) auf der Tagesordnung stehen:
 
„Die EU setzt mit der Farm to Fork-Strategie auf 25 % Ökolandbau, 50 % weniger Pestizide und 20 % weniger Stickstoff bis 2030. Das Ziel: Europa möchte wichtige Umweltziele erreichen und der Landwirtschaft eine nachhaltige Perspektive geben.
 
Der EU-Agrarrat muss deutlich sagen, wie der Strategiewechsel in der Landwirtschafts- und Ernährungspolitik umgesetzt wird. Und wie die Bäuerinnen unterstützt werden. Jetzt umbauen, verhindert harte Brüche für Europas Landwirte. Zögern zementiert Umweltzerstörung und Höfesterben.
 
Wie die neue EU-Agrarpolitik ihre Milliarden Euro verteilt, wird maßgeblich entscheiden, ob der Green Deal der Landwirtschaft gelingt. Landwirtschaftsministerin Klöckner muss sich dafür einsetzen, dass 70 % der Mittel in freiwillige Umweltleistungen der Bäuerinnen und Bauern investiert werden. Insbesondere die 2. Säule der GAP muss gestärkt werden. Denn besonders hier werden die wichtigen Umweltleistungen hunderttausender Bauern unterstützt. 
 
Mit Bio lassen sich Ernährungssicherung, Umweltziele und Perspektiven für die heimische Landwirtschaft gemeinsam mit den Kunden und Kundinnen erreichen. Mindestens 25 % Ökolandbau sind deshalb folgelogisch. Denn Bio hat sich als wirksames, günstiges und gesetzlich definiertes Instrument bereits europaweit bewährt. Und macht Europa enkeltauglich, und zwar vom Acker bis auf den Teller.“

 
Hintergrund

Mit jährlich etwa 60 Mrd. € bestimmt die EU-Agrarpolitik (GAP), welche Landwirtschaft sich in Europa lohnt. Aktuell durchkreuzt die Europäische Union mit der GAP ihre eigenen Ziele, zu denen sich die Staatengemeinschaft mit Blick auf das Klima, die Umwelt, Artenvielfalt oder lebendige Dörfer verpflichtet haben. Das Ergebnis der verfehlten Agrarpolitik ist fatal: Bauernhöfe müssen schließen, stehen immer weniger Händlern und Verarbeitern gegenüber, die Artenvielfalt schrumpft, an vielen Brunnen überschreiten die Nitratwerte die Grenzwerte. Ein Kurswechsel drängt, das sagen auch die wissenschaftlichen Berater des Bundeslandwirtschaftsministeriums – und zuletzt der Europäische Rechnungshof.
Alle sieben Jahre wird die GAP reformiert, derzeit verhandeln Mitgliedsstaaten und EU-Parlament über die kommende Agrarförderung. Ziel der nächsten GAP muss es sein, Bauern für gesellschaftliche Leistungen auf dem Acker und im Stall zu honorieren, die vom Markt nicht entlohnt werden. Landwirte, die Wasser schützen, Boden fruchtbar erhalten, Artenvielfalt stärken und ihre Tiere artgerecht halten und damit mehr für die Gesellschaft tun, bekommen Agrargelder – ganz nach dem Prinzip ‚öffentliches Geld für öffentliche Leistungen‘. Jeder Euro Steuergeld muss deutlich steuern – und zwar in Richtung Nachhaltigkeit.
 
Bis heute ist unklar, wie sich die Bundesregierung zur neuen GAP, und damit auch der Grünen Architektur, positionieren wird – im Nebel bleibt etwa, welches Umwelt-Ambitionsniveau Deutschland für die künftige EU-Agrarpolitik anstrebt. 
 
Auch bei Vorbereitung der Umsetzung der neuen GAP in Deutschland bleibt völlig unklar, wie die zu erwartenden Gestaltungspielräume genutzt werden sollen, um die notwendige Transformation zu erreichen. Der aktuelle Stand der ausführlichen Ausgangslagenbeschreibung ist Verbänden und Zivilgesellschaft nicht zugänglich. Durch fehlende inhaltliche Konsequenz bei der SWOT-Analyse, den geplanten Maßnahmen und angesichts der fehlenden finanziellen Bedarfsplanung ist nicht zu erkennen, wie die Pläne wirken können. 
 
Der BÖLW schließt sich der Position des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz an. Dieser spricht sich klar dafür aus, in der GAP vor allem auf die Honorierung von freiwilligen Umweltleistungen der Landwirtschaft zu setzen.
 
Die Farm-to-Form-Strategie (F2F) bildet die Grundlage, um die europäische Landwirtschaft, Lebensmittelproduktion und die Art und Weise wie wir essen, insgesamt nachhaltiger und gesünder zu machen. Die Strategie ist ein Kern-Baustein des Europäischen Green Deal. Angelegt ist, dass bis 2030 in Europa im Schnitt mindestens 25 % der Flächen ökologisch bewirtschaftet, der Pestizideinsatz soll um 50 % reduziert werden.
 
Weder Green Deal noch F2F sind bisher verbindlich gesetzlich verankert. Die EU muss jetzt also erst einmal sicher stellen, dass es entsprechende neue Gesetze gibt oder Verordnungen wie die Gemeinsame EU-Agrarpolitik (GAP) angepasst werden. In einem Arbeitsdokument hatte die EU-Kommission bereits aufgezeigt, wie F2F und GAP zusammenkommen könnten. Erkennbar ist eine leicht veränderte Schwerpunktsetzung, auch ihr Verhandlungsmandat hat die Kommission angepasst. Verboten ist „back sliding“ – also Rückschritt, was Umweltdinge angeht. Umwelt-Vorgaben (Eco-Schemes) sollen bereits auf EU-Ebene zweckgebunden werden.
Richten sollen es unter anderem die GAP-Strategiepläne der EU-Staaten. Denn den aktuellen Entwurf für die GAP zurückzunehmen, kommt für den EU-Gesetzgeber aktuell nicht infrage. 
 
BÖLW und IFOAM EU diskutieren die neue GAP auf dem Europäischen Bio-Kongress. Diskutieren Sie mit! https://www.boelw.de/EOC2020